Einleitung
Genies der Selbstvermarktung
Menschen, die ehrgeizig sind, die etwas Besonderes im Leben erreichen wollen und sich nicht mit einer Durchschnittsexistenz zufriedengeben, werden meist von einem dieser drei Motive getrieben: Sie wollen Geld oder Macht oder Ruhm. Nachdem ich darüber geforscht hatte, wie man reich wird, und mehrere Bestseller darüber geschrieben hatte, begann ich, mich auch dafür zu interessieren, wie es Menschen gelingt, berühmt zu werden. Ich habe Zehntausende Seiten von Biografien berühmter Menschen gelesen und analysiert und mir wurde immer deutlicher: Besondere Leistungen sind nur ein Aspekt, warum jemand berühmt wird. Ein anderer Faktor ist wichtiger, nämlich die Fähigkeit, sich selbst zu vermarkten.
Mehr über die Gesetze der Selbstvermarktung zu erfahren, ist nicht nur für Menschen wichtig, die berühmt werden wollen. Glaubenssätze wie »Qualität setzt sich von alleine durch« und »Bescheidenheit ist eine Zier« hindern viele Menschen daran, im Leben voranzukommen. Egal ob Sie Unternehmer, Freiberufler oder Selbstständiger sind: Wenn Sie nicht in der Lage sind, Ihre Leistungen ins rechte Licht zu rücken und dafür zu sorgen, dass die für Sie relevanten Zielgruppen davon erfahren, dann werden andere an Ihnen vorbeiziehen, die es besser verstehen, sich selbst zu vermarkten. Und als Angestellter müssen Sie erleben, dass andere, die für sich trommeln, befördert werden, während Sie auf der Stelle treten. Sie können darauf mit Verbitterung reagieren und sich darüber beschweren, wie ungerecht die Welt (oder Ihr Chef) ist. Sie können aber auch Ihre Glaubenssätze selbstkritisch überprüfen und von Menschen lernen, die es verstehen, sich selbst zu vermarkten. In diesem Buch finden Sie zwölf Porträts von Menschen, die alle eine Gemeinsamkeit hatten: Sie verstanden es, wie wichtig Selbstvermarktung ist, und waren (oder sind) Genies auf diesem Gebiet.
Diese Einleitung ist für ungeduldige Leser geschrieben, die schnell erfahren wollen, worauf es bei der Selbstvermarktung ankommt. Den Genießern unter den Lesern empfehle ich aber eher, zuerst die zwölf Porträts zu lesen und sich diese Einleitung erst am Schluss vorzunehmen, um noch einmal das Wichtigste zu wiederholen. Also: Es ist jetzt an Ihnen, ob Sie die folgenden Seiten überspringen und gleich mit dem ersten Kapitel beginnen, oder ob Sie es nicht mehr abwarten können, die wichtigsten Gesetze der Selbstvermarktung zu erfahren.
Die Persönlichkeiten, die in diesem Buch porträtiert werden, könnten unterschiedlicher nicht sein. Da steht Albert Einstein, der Nobelpreisträger und Erfinder der Relativitätstheorie, neben Kim Kardashian, die scheinbar außer einem ausgeprägten Po nichts Besonderes vorzuweisen hat. Und was verbindet einen Geistesriesen wie Stephen Hawking mit Muhammad Ali, der bei Intelligenztests weit unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielte, oder mit Prinzessin Diana, deren einzig erwähnenswerte Auszeichnungen in ihrer Schulzeit die »Beliebtestes Mädchen«-Trophäe und der Preis für das bestgehegte Meerschweinchen waren?
So unterschiedlich sie alle sind, so beherrschten sie in einem Maße die Kunst der Selbstvermarktung wie nur wenige Menschen auf diesem Planeten. Man mag einwenden, sie seien einfach deshalb so berühmt geworden, weil sie auf ihrem jeweiligen Gebiet die Besten der Welt oder, wie etwa Diana, besonders sympathische Zeitgenossen waren. Und in der Tat haben viele der in diesem Buch porträtierten Menschen außerordentliche Leistungen vollbracht. Aber wer sich genauer damit befasst, wird feststellen, dass nicht selten der Ruhm weit größer war, als es ihren Leistungen entsprach. Nehmen wir Stephen Hawking, der wohl berühmteste Wissenschaftler seiner Zeit. Er gab selbst zu: »Für meine Kollegen bin ich nur ein Physiker unter vielen anderen, doch für die Öffentlichkeit wurde ich womöglich zum bekanntesten Wissenschaftler der Welt.« Der geniale Selbstvermarkter Hawking war bekannter als viele Nobelpreisträger, aber er selbst erhielt die adelnde Auszeichnung nie, und für seine Fachkollegen war er keineswegs der Ausnahme-Wissenschaftler, als den ihn die Öffentlichkeit wahrnahm. In einer Umfrage des Magazins »Physics World« um die Jahrtausendwende waren sie weit davon entfernt, ihn den zehn wichtigsten Physikern zuzuordnen.
Donald Trump prahlt gerne mit seinen Leistungen als Immobilienprojektentwickler, doch tatsächlich gab es in New York viele Immobilienprojektentwickler, die weit erfolgreicher waren als er. Er prahlte mit seinem Reichtum, doch die Experten vom »Forbes«-Magazin, das die Listen der reichsten Amerikaner anlegt, kamen Jahr für Jahr zu dem Ergebnis, dass er bei Weitem nicht so reich ist, wie er selbst behauptet.
Bei Muhammad Ali sieht das schon etwas anders aus. Er war nicht nur der bekannteste Sportler des 20. Jahrhunderts, sondern gewann drei Mal den Titel des unumstrittenen Schwergewichtsweltmeisters im Boxen, zweifelsohne eine großartige Leistung. Aber seine Leistungen im Boxen waren nicht der ausschlaggebende Grund für seine Popularität. Cassius Clay – so sein Geburtsname – war bereits eine Berühmtheit, bevor er im Jahr 1964 seinen ersten Titelkampf gegen den Schwergewichtsweltmeister Sonny Liston gewonnen hatte. Schon ein Jahr vor diesem Sieg hob ihn das »Time«-Magazine auf seine Titelseite. Eine objektive Auswertung der von Ali bestrittenen Kämpfe zeigt, wie sein Biograf bilanziert: »Unter all diesen statistischen Gesichtspunkten war die Bilanz des Mannes, der sich selbst als ›den Größten‹ bezeichnete, während eines Großteils seiner Karriere unterdurchschnittlich.«
Arnold Schwarzenegger, der berühmteste Bodybuilder aller Zeiten, war zweifelsohne ein Ausnahmetalent. Er gewann sieben Mal die höchste Auszeichnung im Bodybuilding, den »Mr. Olympia«. Doch andere Bodybuilder zu seiner Zeit – beispielsweise Frank Zane – hatten einen harmonischeren Körperbau. Experten sind sich darüber einig, dass Schwarzenegger seinen siebten Mr.-Olympia-Titel nur seiner Popularität verdankte und nicht seiner Muskelentwicklung. Und nach Schwarzenegger gab es Bodybuilder mit deutlich mehr Muskelmasse wie etwa Ronnie Coleman, der acht Mal Mr. Olympia wurde. Aber wenn Sie nicht zufällig Bodybuildingexperte sind, werden Sie vermutlich Colemans Namen noch nie gehört haben, während Schwarzenegger fast jeder Bewohner dieses Planeten kennen dürfte. Der gebürtige Österreicher war in verschiedenen Lebensbereichen überaus erfolgreich, aber vor allem war er ein genialer Verkäufer. In seiner Autobiografie schreibt er: »Egal, was du tust, du musst es auch gut verkaufen … Man kann die beste Arbeit abliefern, doch wenn die Leute nichts davon erfahren, ist alles umsonst! In der Politik ist es das Gleiche: Egal, ob man sich für den Umweltschutz oder Bildung oder das Wirtschaftswachstum einsetzt, das Allerwichtigste ist, dass die Menschen das auch merken.«
Madonna ist eine großartige, außergewöhnliche Künstlerin. Im »Billboard«-Ranking wird sie als die erfolgreichste Solokünstlerin aller Zeiten geführt und rangiert in der Gesamtheit aller Künstler hinter den Beatles auf Platz 2. Das »Time«-Magazin kürte sie gar zu einer der 25 mächtigsten Frauen des 20. Jahrhunderts. Doch alle Experten sind sich einig, dass dieser ungewöhnliche Erfolg nicht mit überragenden Fähigkeiten als Sängerin erklärt werden kann. Camille Barbone, die in den ersten Jahren ihre Mentorin und Managerin war, meinte: »Begabt? Nein. Sie war keine Musikerin für die leisen Töne. Sie besaß gerade die Fähigkeiten, einen Song zu schreiben oder Gitarre zu spielen.« 1995 wurde Madonna für die Hauptrolle des Films Evita ausgesucht. Die US-Amerikanerin – damals schon eine weltberühmte Sängerin und auf dem Höhepunkt ihrer Karriere – musste jedoch vor den Aufnahmen eine Stimmtrainerin engagieren, um ihre allenfalls durchschnittliche Gesangstechnik zu verbessern.
Eine der in den sozialen Medien bekanntesten Personen ist heute Kim Kardashian West. Auf Instagram hat sie 162 Millionen Follower, mehr als Lionel Messi (144 Millionen), der seit 2009 mit sechs Titeln Rekordgewinner des »FIFA-Weltfußballer des Jahres« ist. Und auf Twitter folgen ihr mit 60 Millionen Usern fast so viele wie dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump (74 Millionen) und mehr als den »Breaking News« des Nachrichtensenders CNN (56 Millionen). Die bekannte amerikanische TV-Moderatorin Barbara Walters hielt Kim vor, in Wahrheit habe sie nie eine besondere Leistung erbracht: »Du bist keine Schauspielerin und kannst weder singen noch tanzen … Sorry, du hast überhaupt kein Talent!« In der Tat: Kim war als Schauspielerin, als Sängerin und als Tänzerin gescheitert. Aber wie kaum sonst jemand beherrscht sie die Kunst, sich selbst zu vermarkten.
Natürlich gibt es unter den in diesem Buch porträtierten Persönlichkeiten auch solche, die unabhängig von ihren Selbstvermarktungskünsten einzigartige Leistungen erbrachten. Vor allem ist hier Albert Einstein zu nennen, der Begründer der Relativitätstheorie. Doch können Einsteins wissenschaftliche Leistungen seinen Ruhm erklären? Natürlich nicht. Obwohl er die Massen begeisterte, die Zeitungen auf der ersten Seite über ihn berichteten und ihn jeder kannte, verstand kaum einer seine Theorie. Charlie Chaplin, mit dem Einstein gemeinsam auftrat, brachte es so auf den Punkt: »Mir applaudieren die Leute, weil alle mich verstehen, und Ihnen, weil Sie niemand versteht.« In einem Gespräch mit einem Journalisten meinte Einstein: »Ob es einen lächerlichen Eindruck auf mich macht, die Aufgeregtheit der Menge für meine Lehre und meine Theorie, von der sie doch nichts versteht, zu beobachten? Ich finde es komisch und zugleich interessant, dieses Spiel zu beobachten. Ich glaube bestimmt, dass es das Geheimnisvolle des Nichtbegriffenen ist, das sie bezaubert.«
Was viele nicht wissen: Einstein verwandte, so wie alle anderen in diesem Buch vorgestellten Persönlichkeiten, einen großen Teil seiner Zeit und ganz erhebliche Anstrengungen darauf, sich selbst zu vermarkten. Sein Ruhm flog ihm nicht zu und war gewiss kein Zufall. Und er lässt sich gewiss nicht durch seine Leistungen als Physiker erklären, die doch in Wahrheit kein Laie beurteilen kann.
Waren die Genies der Selbstvermarktung vielleicht nur die Kreaturen von geschickten PR-Strategen und Managern? Nein. Andy Warhol beispielsweise war eher bereit, Kunstwerke von seinen Assistenten anfertigen zu lassen, als das zu delegieren, was seine Kernkompetenz war: die Selbstvermarktung. Natürlich beschäftigten viele der hier porträtierten Personen auch PR-Fachleute (so etwa Schwarzenegger und Trump), aber diese waren nur beratend tätig, die Meister waren nicht sie, sondern ihre prominenten Auftraggeber. Berühmte Personen, die überwiegend das Werk ihrer Manager und Agenten waren – so wie etwa Elvis Presley oder vielleicht auch Greta Thunberg – habe ich daher nicht in diesen Band aufgenommen.
Die zwölf Genies der Selbstvermarktung, von denen dieses Buch handelt, wussten alle, wie sie sich richtig in Szene setzten und aus ihrer Persönlichkeit eine unverwechselbare Marke machten. So wie jede Marke, waren sie schon vom Äußeren her sofort zu erkennen und von anderen Menschen zu unterscheiden. Sie machten bestimmte äußere Merkmale zu unverwechselbaren Markenzeichen – wie bei einem Produkt.
Karikaturisten müssen nicht viel können, um Personen wie Donald Trump, Andy Warhol, Arnold Schwarzenegger, Kim Kardashian oder Karl Lagerfeld zu zeichnen. Lagerfeld machte im Laufe seines Lebens einprägsame Besonderheiten zu seinen Erkennungszeichen – die Marke Lagerfeld. Sie entstand nicht an einem Tag durch einen Entschluss, sondern wuchs im Laufe der Jahre. »Ich mache mich nicht wie Charlie Chaplin zurecht. Meine Frisur, meine Sonnenbrille, das ist mit der Zeit gekommen. Ich habe mich langsam, aber sicher zur Karikatur gemacht.« Am Schluss ist jedoch ein unverwechselbares Markenzeichen entstanden: Die fingerlosen Handschuhe, der gepuderte Zopf, der Stehkragen, die Sonnenbrille, zeitweise gehörte ein Fächer dazu.
Auch Trump ist wegen seiner Frisur einfach zu karikieren. Die Frisur spiegelt seine Persönlichkeit wider: Sie ist nicht schön, aber sie ist unverwechselbar und fällt auf. »Natürlich kann man sich über seine sorgsam aufgebauschte Frisur und ihr artifizielles Glühen lustig machen«, meint sein Biograf D’Antonio, »doch sie hat einen unfehlbaren Wiedererkennungswert. Mit unauffälliger Haartracht würde er vielleicht vor dem Trump Tower stehen, ohne dass es jemand merkt. So aber wird er belagert. Sein Haar ist ein Hingucker, auch wenn er womöglich anfangs nicht die Absicht hatte, seinen Kopf als Leuchtreklame zu benutzen.«
Albert Einstein kultivierte bewusst das Image des Wissenschaftlers, der wenig Wert auf Kleidung legte, Kragen und Krawatte hasste, sich die langen Haare nicht kämmte, keine Socken trug und die Hemden offen ließ. Er passte, wie sein Biograf Neffe schreibt, »perfekt ins Klischee des avantgardistischen Künstlers der Wissenschaft« und war »das ideale Objekt für Fotografen und Reporter und alle anderen Priester der Popularität, mit denen er in einer seltsamen Symbiose lebte«. Nach seinem Beruf gefragt, antwortete er: »Fotomodell«. Gerüchten zufolge soll er, sobald sich Fotografen näherten, sein Haar mit beiden Händen aufgewühlt und so den typischen Einstein-Look aufgefrischt haben.
Andy Warhol unterzog sich schon im Jahr 1957 einer Schönheitsoperation, was damals noch sehr ungewöhnlich war. Er begann Haartoupets und eine Sonnenbrille zu tragen. Auch als er schon gut verdiente und in der Lage war, sich teure Kleidung und Luxusartikel zu kaufen, bearbeitete er Anzüge und Schuhe, bevor er sie anzog, so lange, bis sie abgetragen aussahen und damit ins Bild des exzentrischen Künstlers passten. Er trug ein schwarzes Lederjackett, enge schwarze Jeans (darunter Strumpfhosen), T-Shirts und hochhackige Stiefel. Die silbergraue Perücke passte zu seinem Atelier, der silbrigen » Factory« – Silber war die Farbenmarke, die er für die Selbstvermarktung gewählt hatte.
Auch Steve Jobs legte Wert auf ein unverkennbares Äußeres. Bei seinen Produktpräsentationen trug er Shorts, Turnschuhe und einen schwarzen Rollkragenpullover. Den Pullover ließ er von dem berühmten Designer Issey Miyake entwerfen, der für ihn etwa 100 Stück herstellen ließ. Und Schwarzenegger machte die Bizepspose zu seinem Markenzeichen. Was bei ihm der Bizeps war, bei Karl Lagerfeld Zopf, Sonnenbrille und Stehkragen, bei Donald Trump, Andy Warhol und Albert Einstein das Haar, das ist bei Kim Kardashian der Po. Als sie im Juni 2011 die Auszeichnung »Entrepreneur of the Year« bei den Glamour Women of the Year Awards in London gewann, wurde ihr Po sogar geröntgt, um festzustellen, ob er echt sei oder Implantate enthielt. Kim gelang es stets aufs Neue, durch spektakuläre Aufnahmen, in denen ihr Po im Mittelpunkt stand, Aufmerksamkeit zu erregen. Die seriöse Tageszeitung »Daily Telegraph« in London berichtete noch zwei Jahre danach über ein Foto, das besondere Aufmerksamkeit erregte: »Im September 2014 sorgte das Nischenblatt ›Paper Magazine‹ für eines der größten Kulturereignisse des Jahres, vielleicht sogar des Jahrzehnts, als es mithilfe einer nackten Kim Kardashian die Aktion ›Break The Internet‹ startete. Das Bild von Kim Kardashian mit einem Champagnerglas auf ihrem perfekt geformten Hinterteil neben dem Hashtag #BreakTheInternet löste eine riesige Sharing-Welle im Internet aus. Die Webseite verzeichnete über 50 Millionen Besuche an einem Tag – das entspricht 1 Prozent des gesamten Internet-Traffic in den USA an diesem Tag.«
Im Selbstmarketing gilt das Gesetz: Man muss nicht besser aussehen, sondern anders als andere. Kim Kardashian und Madonna sehen sicher nicht schlecht aus, aber es gibt Zehntausende Amerikanerinnen, die schöner sind. Und Stephen Hawking gelang es sogar, seine Behinderung in einen Vorteil zu verwandeln. Auf die Frage, wie es ihm gelang, so bekannt zu sein, antwortete er: »Das liegt zum einen daran, dass Wissenschaftler, von Einstein abgesehen, keine gefeierten Rockstars sind. Zum anderen verkörperte ich das Klischee des behinderten Genies. Auch eine Perücke und eine dunkle Sonnenbrille würden mir nichts nützen – mein Rollstuhl ist einfach zu verräterisch.« Der Verlag wusste um diese Marketingwirkung und wählte für das Cover von Hawkings Buch A Brief History of Time ein Foto, das ihn – wie Hawking es selbst formulierte – als »erbarmungswürdig« im Rollstuhl mit Sternenhimmel zeigte. Das Buch stand 147 Wochen auf der Bestsellerliste der »New York Times« und mit einem neuen Rekord von 237 Wochen auf der der Londoner »Times«, wurde in 40 Sprachen übersetzt und über zehn Millionen Mal verkauft.
Um aufzufallen muss man nicht unbedingt besser sein als alle anderen, aber mit Sicherheit muss man anders sein. Das gelingt durch massive und gezielte Provokationen, eine Kunst, die alle in diesem Buch porträtierten Personen beherrschten. Andy Warhol wurde durch Provokationen als Künstler bekannt. Im Jahre 1964 erhielt er den Auftrag, ein Wandbild für den Pavillon der USA auf der Weltausstellung in New York zu machen. Das Bild sollte die Vereinigten Staaten bei der Ausstellung vertreten, und Warhol zeigte Porträts der 13 meistgesuchten Verbrecher der Supermacht. Doch noch vor Beginn der Ausstellung erklärten Regierungsbehörden, dass man die USA nicht mit diesen Bildern repräsentieren wolle, und zwei Wochen vor der Eröffnung stellte Philip Johnson, der Architekt des Pavillons, Warhol ein Ultimatum, die Bilder binnen 24 Stunden zu entfernen. Warhol machte daraufhin einen Gegenvorschlag – die Porträts der Verbrecher durch 25 Porträts von Robert Moses, dem Präsidenten der World’s Fair Corporation, zu ersetzen. Auch dieser Vorschlag wurde abgelehnt. Warhol entschloss sich, die Bilder der » Most Wanted Men« mit Aluminiumfarbe zu übersprühen – das sicherte der Aktion letztlich noch mehr Aufmerksamkeit.
Trumps Erfolg liegt auch darin begründet, dass er Sprachregelungen und Tabus der Political Correctness demonstrativ ignoriert, was von seinen Anhängern als befreiend empfunden wird. Obwohl Trump nachgewiesenermaßen sehr oft die Unwahrheit sagt, wird er von seinen Anhängern als ehrlich empfunden, weil er frei heraus das sagt, was er denkt: »Ich könnte eine Antwort geben, mit der alle zufrieden sind, es würde sich keiner darum scheren, niemand würde darüber schreiben. Oder ich kann eine ehrliche Antwort geben, die meterhohe Wellen schlägt … Ich glaube, von politisch korrektem Gerede haben die Leute wirklich genug.«
Muhammad Ali provozierte bewusst mit seinen Sprüchen und mit seiner lauten Angeberei. Er war der Meinung, dass viele Zuschauer nur kamen, um zu sehen, wie jemand diesem ›schwarzen Großmaul‹ die Fresse polierte. Er schloss sich der »Nation of Islam« an, einer Vereinigung, die – anders als etwa Martin Luther King – die Integration strikt ablehnte und dem weißen einen schwarzen Rassismus entgegensetzte. Er geriet in die Schlagzeilen, weil er den Kriegsdienst verweigerte und sich gegen den Vietnamkrieg engagierte. Seine bekannteste Äußerung zur Begründung für die Kriegsdienstverweigerung war: »Ich habe kein Problem mit dem Vietcong.« Dieser Satz wurde überall in Amerika zitiert und auf T-Shirts gedruckt – er wurde vielleicht eine der am häufigsten zitierten Äußerungen von Ali. So wurde er Teil der kritischen Generation, die in den 60er-Jahren weltweit gegen den Vietnamkrieg protestierte. Im Jahr 1965 wurde ihm die Boxlizenz durch die World Boxing Association und die New York State Athletic Commission entzogen, die übrigen Boxkommissionen des Landes schlossen sich an und ihm wurde sogar der Weltmeistertitel aberkannt. Im Juni 1967 wurde Ali wegen Kriegsdienstverweigerung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Strafe musste er jedoch nie antreten und drei Jahre später wurde sie aufgehoben.
Auch Albert Einstein positionierte sich, so wie viele erfolgreiche Selbstvermarkter, als Rebell. Er provozierte und war nicht bereit, sich herrschenden Normen zu unterwerfen, wenn er sie als unsinnig betrachtete: »Er lehnt sich gegen jede Art von autoritärer Struktur auf, gegen die starren Gesetze in Schule und Universität, gegen das Regelwerk bürgerlicher Existenz, gegen Konventionen wie Kleiderordnungen, gegen Dogmatismus in Religion und Physik, gegen Militarismus, Nationalismus und Staatsideologie, gegen Chefs und Arbeitgeber.«
Steve Jobs sprach nicht wie der CEO eines Unternehmens, sondern wie der Anführer einer revolutionären Bewegung. Allerdings sollte die Welt nicht durch die Politik verändert werden, sondern durch Technologie. Jobs sagte über die Käufer eines Apple-Computers: »Die Leute, die das tun, denken wirklich anders. Sie sind der kreative Geist in dieser Welt, und sie beabsichtigen, die Welt zu verändern. Wir machen die Werkzeuge für diese Leute …
Wir werden anders denken und für diese Leute da sein, die unsere Produkte von Anfang an gekauft haben. Wir glauben ja, dass sie verrückt sind, aber wir erkennen das Genie in dieser Verrücktheit.«
Madonna erkannte, dass gezielte Provokationen und Normverletzungen Schlüssel im Aufbau einer Markenidentität sind. »Ich ziehe es vor, den Leuten im Gedächtnis zu bleiben, statt in Vergessenheit zu geraten«, so lautete ihr Motto. Während sich andere Menschen, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, vor negativer Presse fürchten, sah Madonna – ähnlich wie Donald Trump –, dass kritische Artikel in den Medien sogar Positives bewirken und ihre Fanbasis erweitern könnten. »Sie war der Überzeugung, je mehr die Presse ihren Stil als › trashig‹ bezeichnen und je vehementer Eltern gegen ihren Look vorgehen würden, desto mehr würde es rebellische Jugendliche dazu bewegen, ihr nachzueifern … Ihr Erfolg zeigte sicherlich, dass Madonna mit ihrem Kindheitsplan, wie man Beachtung findet, richtiglag: etwas tun, das Leute schockiert und dich ins Gerede bringt, wenn es grell genug ist. Ihr war egal, was die Leute redeten, Hauptsache sie war im Gespräch.«
Die Provokationen von Madonna waren meist mit Sex verbunden, oft auch mit einer Verbindung von Sex und Religion. In dem Video zu ihrem Song Like a Prayer sieht man eine Madonna, die einen schwarzen Christus küsst, die Stigmata hat, blutige Tränen vergießt und vor einem Feld voller brennender Kerzen tanzt. Das Video wurde in das Nachtprogramm von MTV verbannt. Pepsi zog wegen der Veröffentlichung des Videos einen Werbeclip mit Madonna zurück, nachdem Kirchenführer ihre Gemeinde mitglieder zum Boykott von Pepsi aufgerufen hatten.
Bei ihren Bühnenshows simulierte die Sängerin Akte der Selbstbefriedigung und während einer Tournee durch Nordamerika drohte die Polizei von Toronto, Madonna wegen obszöner Darbietungen zu verhaften. In Italien riefen katholische Gruppen zu einem Boykott ihrer Konzerte auf.
Einen Höhepunkt erreichte die Aufregung über Madonna, als sie im Oktober 1992 einen Bildband mit dem Titel SEX herausbrachte. Der Band enthielt in Schrift und vor allem Bild erotische Fantasien von Madonna. Sie erklärte, warum sie auf Analsex stehe, Fotos zeigten sie beim Sex mit Frauen. Vor allem enthielt der Band zahlreiche Texte und Fotos, in der ihre Affinität zu SM-Sex zum Ausdruck kam. Überall in dem Buch gibt es Bilder von Masturbationsszenen. Der »Observer« nannte das Buch die »verzweifelte Schöpfung einer alternden Skandalsüchtigen«. Die öffentliche Empörung über das Buch katapultierte es auf Platz 1 der Bestsellerliste der »New York Times«.
Von Madonna kann man noch etwas anderes lernen: In einer Situation, in der die öffentliche Kritik immer schärfer wird, besteht die Gefahr, dass sich der Provokateur weiter selbst radikalisiert und trotzig wird. Hier zeigte sich jedoch das PR-Genie von Madonna, die genau wusste, wann sie einen Schritt zurück – oder besser: wieder einen Schritt auf ihr Publikum zugehen musste. Nach dem Skandal um ihr Buch führte sie eine Tournee in vier Kontinenten durch, die sie »Girlie Show« nannte. »Wenn auch immer noch sexy, so war es eher eine unschuldige Parodie als ein eklatanter Versuch zu schockieren. Vorbei die Hardcore-S&M-Bilder und die blasphemische religiöse Ikonologie der vergangenen zwei Jahre.«
Viele Selbstvermarkter wurden durch Skandale und anstößige oder provokante Themen bekannt, bemühten sich aber später, ihr Image zu korrigieren. Ein Beispiel dafür ist Oprah Winfrey. Populär wurde sie mit Talkshows über Sexthemen. Gerade im prüden Amerika bringen solche Themen hohe Quoten. Das fing bereits in ihren frühen Talkshows an und setzte sich in späteren Jahren fort. Einmal sprach sie über den Mann mit dem Micro-Penis, ein anderes Mal über den 30-Minuten-Orgasmus. Der Fantasie in der Auswahl von Themen mit sexuellem Bezug war keine Grenze gesetzt: Männer, die vergewaltigt wurden; Frauen, die Kinder von ihrem eigenen Vater zur Welt brachten oder die während ihrer Schwangerschaft missbraucht wurden; weibliche Lehrer, die Sex mit Jungs hatten; eine Schönheitskönigin, die von ihrem Ehemann vergewaltigt wurde usw.
Einmal lud sie Nudisten nackt in das Fernsehstudio ein, ein anderes Mal eine Frau, die während ihrer 18-jährigen Ehe nie einen Orgasmus hatte – zusammen mit einem Lehrer, der ihr Orgasmus-Lehrstunden gab. Und dann bat sie wiederum eine Frau vor die Kameras, die in einer Nacht 25 Männer in ihrem Bett hatte, oder drei Porno-Stars, die sich über die Ejakulationen von Männern ausließen.
Später versuchte sie jedoch von diesem Image wegzukommen und erklärte: »Früher war es besserer Sex und der perfekte Orgasmus. Dann waren es Diäten. Der Trend der Neunziger ist Familie und Erziehung.« Sie brachte jetzt häufiger Themen wie »How to Have a Happy Step Family« oder »The Family Dinner Experiment«.
Später äußerte sie sich sogar manchmal selbstkritisch über die Art der Sendungen, mit denen sie anfänglich so erfolgreich war: »Ich gebe zu: Ich habe Trash-Fernsehen gemacht und noch nicht einmal gedacht, dass es Trash war«, bekannte sie einmal. Winfrey brachte zunehmend anspruchsvolle Themen – ein Schwerpunkt war beispielsweise die Vorstellung von Büchern.
Auch Muhammad Ali wurde in den späteren Jahren mit seinen politischen Äußerungen zunehmend moderater. Nur noch selten bezeichnete er die Weißen – so wie er das früher getan hatte – als blauäugige Teufel. Er blieb dem Anführer der »Nation of Islam«, Elijah Muhammad, treu ergeben, sagte das aber nicht mehr so oft wie früher. Er wandte sich nicht mehr in Vorträgen gegen den Vietnamkrieg und hielt sich generell mit kritischen politischen Äußerungen deutlich zurück. »Er bot das Bild eines Mannes, der in allererster Linie froh darüber war, wieder ein Boxer zu sein.«
Online bestellen
Sicher und bequem online bestellen bei: